eNTWICKLUNGSWEG: WISSENSCHAFT, SCHRIFTSTELLEREI, PUBLIKATIONSPRAXIS UND ENGAGEMENt Im Jahr 1963 geboren, begann ich mich schon in jungen Jahren mit Literatur, Politik und Philosophie auseinanderzusetzen, so dass es selbstverständlich war, diese Interessen mit dem Studium der Sozialwissenschaften an den Universitäten-Gesamthochschulen Wuppertal und Duisburg weiter zu verfolgen. Dort studierte ich in der Studienrichtung Politische Wissenschaft schwerpunktmäßig politische Theorie und Philosophie, Ideengeschichte sowie Sozialphilosophie. Die Kernfragen des Menschseins werden an der Schnittstelle Politik/Philosophie aufgeworfen! An der Universität-Gesamthochschule Duisburg schloss ich das wissenschaftliche Studium mit dem Diplom ab. Wissenschaftlich und philosophisch zu denken ist für mich wichtig. Seit Abschluss meines Studiums bin ich verstärkt schriftstellerisch tätig.Mit der schriftstellerischen Tätigkeit, die zur Veröffentlichung von Büchern und Ebooks geführt hat, leiste ich Beiträge zur Aufhellung des zeitabhängigen gesellschaftlichen Entwicklungshorizonts. Und so verbinde ich im kreativen Arbeitsleben die Wissenschaft und die Forschung mit der schöngeistigen Literatur. In Gesellschaft und Geist, auch im Alltäglichen finde ich literarische Stoffe. Gerade in Lyrik und Kurzprosa, aber auch in Kurzgeschichte, Erzählung und Roman bin ich zu Hause - schreibe Stücke sowie wissenschaftliche Bücher. Verschiedenes ist in Anthologien oder Zeitschriften gedruckt worden.Ich thematisiere literarisch-schöngeistig diverse Probleme des Bürgers, so zum Beispiel die Macht über Menschen sowie das Drama des Humanismus im Europa der Gegenwart, wobei ab und zu durchaus das Kafkaeske seinen Ausdruck findet. Und ich halte philosophische Gedanken in der Literatur für so wichtig, dass sie ins gesamte Werk einfließen müssen. Phantasie und Geheimnis faszinieren – es gilt, das Mysterium des gesellschaftlichen Lebens zu ergründen! - Erste Buchveröffentlichungen datieren aus den Jahren 1994 und 1995, als das wissenschaftliche Fachbuch „Sphären des Zersetzenden. Ein Beitrag zur Jaspers-Forschung“ (TB, 1994), das Buch „Fußangeln und Grenzpfähle. Prosa“ (Brosch., 1994) sowie „Triumphierende Gewalt. Gedichte und Geschichten“ (TB, 1995) veröffentlicht wurden. Es folgte Anfang 1996 „Ent-täuschender Sex“, eine bebilderte Sammlung mit erotischen Gedichten. Seit dem Jahr 2006 veröffentliche ich auch im Selbstverlag, so zum Beispiel die literarischen Werke „Drei Romane. Königsbriefe. Herr Thomas. Teufelswesen“ (TB, 2007), „Gift der Jugend. Erzählungen. Kurzgeschichten. Prosa. Gedichte“ (TB, 2008), aber auch „Die Insel Lyros und die Lyrik für die Anderen“ (Ebook auf CD-Rom, 2011) sowie die wissenschaftlichen Werke „Politikhandeln. Mit besonderer Berücksichtigung Ernst Blochs und Herbert Marcuses“ (Ebook auf CD-Rom, 2009) und den ersten Teil von „Wirkmächte des gesellschaftlichen Seins“, nämlich „1. Mein-Selbst und Herrschaft“ (Ebook auf CD-Rom, 2012).
Im Jahr 2013 ist im Grille Verlag der Roman „Fußball und was es sonst noch so gibt“ (TB, 2013) neu erschienen. Kürzlich erschienen ist im selben Verlag „Fußangeln, Grenzpfähle und Fallgruben. Prosatexte" (Taschenbuch).
Ich bin Mitglied im Freien Deutschen Autorenverband/NRW und auch als Internetliterat tätig. Das schriftstellerische Wirken ergänze ich mit Kunst, weshalb gestalterische Arbeiten in Buch und Ebook häufig selber ausführt werden. Eigene Fotos und digitale bzw. digitalisierte Werke (Zeichnungen und Malereien) haben Eingang in Bücher und Ebooks gefunden.
Gelegentlich nehme ich an Autorenlesungen teil.
kLEINE BEISPIELE LITERARISCHER AMBITIOn
anerkennung
und am wagnis der normalen anerkennung
bloß gescheitert,
daher vorhin sozial abgehängt
auf hohen mauern zu balancieren
scheint unmöglich zu sein;
so fühlt sie ein verzweiflungsgefühl
diese verzweiflung beherbergt noch viel trotz
mit einer stärke
die ihr hassgesicht geformt hat
als ritterin der lüfte lilly will sie gelten.
und die in ihr regierende geltung
nicht mehr verlieren!
Kay Ganahl
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Das Leben in einem Zimmer
Dieses Leben funktioniert durchaus
Lebe es mit Gelassenheit
Und gebe mich Träumen hin.
Denn so ist das Leben lebbar!
HEUTE Getrost beiseite zu lassen ist dieses
Auch anderes
Regen kommt von oben, nicht von unten
Die Faktenwahrheit gemäß Naturgesetz
Fasziniert immer noch
Und jetzt ist auch die Tischtennisplatte unbrauchbar Geworden
HEUTE Grasfläche, rosa angesprüht. Bäume
Wilde Sträucher.
Zu gehende Millimeter hoffnungsvoll
Zurück zu legen!
Dabei sich selbst zusehends erweiternd!
Und ich denke Begriffe wie hohe Bauten
Mit der Tischtennisplatte werde ich alt werden!
WEIT GEDACHT Rote Herden ziehen in mir
an mir vorüber
Zeit zum Träumen fehlt gerade -
Ich lache mir die Wahrheit ins Bewusstsein
Und ein Detail-Gedächtnis ist sinnvoll
TIEF GEDACHT In meinem Zimmer wird es sandig
Hier, wo meine Gedanken zu Hause sind
Ich in den Screen spaziere, fröhlich
und meine Wenigkeit wiedererkennen kann
auf Entdeckerfahrt im Hohlraum durch Überreizung
NOCH ETWAS NACHZUTRAGEN:
das hier ist ein Ort, immerhin einer
keine Provokation auch keine Heimat -
habe keine Ahnung, wohin es wahrhaftig geht
altere mäßig schnell.
Ehrlich, in meiner Mansarde verkaufe ich keine Gedanken für viel Geld und werde reich
Kay Ganahl
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hallo kulissen
hallo ihr kulissen - )
seid ihr menschenwerk?
(ich gehöre nicht zu euch,
habe euch auch nicht geschaffen …)
hallo! he! bleibt doch bitte!
wir wissen, das ihr
nicht von selber dort hingekommen seid
übrigens wissen wir viel über euch
(und ich weiß, ihr seid werke der
WEBER UND WIRKER,
der erfolgsbezogenen, der machtorientierten)
und:
da
immer
seiendes,
bleibendes
doch! -
eh, ein mensch wusste und weiß sicher bescheid
(über alles, fast alles, - fast nichts …
(ein förderer, vielleicht ein förderer der förderung
(in sichere konstruktiven strömen von gedanken
(zur erhaltung der ordnung gebettet. sein leben ist sinn.
der gesellschaft sinn ist unbekannt
hallo, kulissen! wisst ihr von ihm?
ZWO.
Es ist heute
Nicht erst seit kurzem
Ziemlich vergreist die gesellschaft
Und in mobilitätsforderungen erstarrt -
Auf allen fahrzeugen vegetierend.
Es ist morgen
Alles zu erwarten, nur nicht gerechtigkeit
Es ist ein Morgen, ein fliehender
DREI.
Wahrhaftig nicht verloren ist die
entwicklung, die nötig
aber diese bestimmten bekannten
„das wusste jemand genau-orgien“ von personen,
die sich nicht kennen, erzeugen
eine sinnlose dümpelei -
hallo, ihr kulissen, sprecht ihr denn nicht?
hallo, ihr! wo seid ihr jetzt?
Schon die manifestierung des falschen echten
Schon die nicht-werdung des sich-entwickelnden
Schon die täuschung aller, die wahres wissen wollen, aber darin lauter probleme sehen? ---
Nun, wusste das einer?
einer von denen, die die kulissen managen
und hinter den kulissen dreist lenken und organisieren?
wusste das jemand wirklich wirklich ehrlich?
einer von uns, von allen menschen,
die hier unter den lebenden weilen,
aber davon nichts wissen?
Kay Ganahl
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Das Typoscript "Hunde-Kunde"
Seit kurzem arbeite ich an einem Werk mit dem Titel "Hunde-Kunde". Die Schriftstellerei hält mich in meinem warmen Heim grundsätzlich bei Laune. Gelegentlich finde ich sogar noch nach draußen ins Unwirtliche unserer Wintertage. Dann wird es eventuell etwas ungemütlicher. -
"Der braucht eine Abreibung!" Das habe ich gestern hören müssen. Da war ich auf dem Weg von der Haupteingangstür meines privaten Domizils, eines Häuschens im Hundehüttenformat, zum Busbahnhof der Stadt, als irgendein Rowdy mir die Brille vom Gesicht schlug. Natürlich war das ein großer Schreck! In der rechten Armbeuge hatte ich mein letztes Typoskript, das ich zum Verleger bringen wollte, der nach zwei Monaten endlich wieder einen Blick auf meine Schreibe werfen wollte. Das Typoskript mit der Rohfassung von "Hunde-Kunde", ganze 150 Seiten stark, fiel zu Boden in den Schneematsch. Wie wütend ich jetzt war! Dem Rowdie hätte es jetzt sicher nicht gefallen, wenn ich ihm zur Antwort mal die Leviten gelesen hätte. Meine Reaktion beschränkte sich auf ein ironisches Lächeln, was zu einem verhaltenen Schmunzeln wurde, als er sich vor mir mächtig aufbaute und die böse Fratze eines Anpöblers zog.
Ich brauche eine Abreibung? Das ist mir in der Sache ja ganz neu. Mein Verleger Schultze Z. ("Verlag für Hunde-Ratgeber") kann auf mich zählen in jeder möglichen Hinsicht, wenn es um die Sachbuchliteratur geht, mit der ich ihn Jahr für Jahr heimsuche. Ich bin pünktlich, zuverlässig, kreativ und enorm schreibfleißig. Irgendeinen Vorwurf kann ich mir nicht machen!? Wer darf mir überhaupt einen Vorwurf machen? - Nun, während der Rowdy endlich abdampfte (er tat das in äußerster Gelassenheit, um nicht "cool" zu sagen!), konnte ich richtig aufatmen und konstruktive Gedanken fassen, die mich dann auch von dem Bürgersteig weiter zum Busbahnhof brachten - meine Beine folgten militärisch-gehorsam meinen Gedanken. Schnell bestieg ich meinen Omnibus und war binnen etwa einer Viertelstunde beim Verlagsgebäude, dessen Hunde-Logo rechts neben der Haupteingangstür mich schon immer fasziniert hatte. Ich grüßte den freundlichen Hund mit einem freundlichen Nicken. Im Verlegerbüro wurde ich zunächst recht freundlich empfangen, aber als der Mensch das Typoskript überflogen hatte, schleuderte er es mir mit Vehemenz ins Gesicht. Ich war sehr überrascht, dann sogar ein bisschen enttäuscht. Zum Sprechen fand ich gar nicht, die Kommunikation mit ihm, die jetzt nötig gewesen wäre, fand nicht statt. In seinem Drehsessel sitzend wandte er seinen Kopf in Richtung Fenster, von wo aus der Busbahnhof zu sehen war. Anschließend verließ ich ihn grummelnd. Und auf dem Bürgersteig vor dem Verlagsgebäude wurde ich von dem gleichen Rowdie von vorhin "empfangen". Aus: Kay Ganahl "Wortfels Realität" (2009)
Kay Ganahl
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Die kleine Dichterin
"Weißt du nicht, Frank, wie schön das ist?" fragt sie ihren Freund, der neben ihr auf dem Teppichboden liegt und Domino spielt.
"Ich weiß nur, dass ich deine Schreiberei nicht mag", so antwortet er desinteressiert. Er trägt graue Shorts, Sportschuhe. Ihm fehlt der kleine Finger der rechten Hand. Lilo, seine kleine Freundin, gerade 13 Jahre alt, hält nunmehr beschwörend ihren Bleistift in die Höhe. Sie fordert Frank auf, mit ihr in die Literatur einzutauchen, doch er zeigt wirklich nur Desinteresse. In ihren roten Jeans und der Seidenbluse sieht sie anmutig aus.
"Leben, Worte ... und die Nerven zählen!" ruft Lilo aus. Sie setzt sich jetzt aufrecht hin und kritzelt irgend etwas in ihr kleines Notizbuch, wo die literarischen Einfälle reingehören.
"Was hast du gesagt, Lilo?" fragt Frank und bohrt in seiner Nase.
"... ich brauche Unterstützung!" fordert Lilo. "Ich habe vor, Dichterin zu werden!!!" schmettert sie jetzt.
"Wer interessiert sich für die blöde Schreiberei!" gibt Frank von sich. Er zieht eine Grimasse und wirft ihr einen verächtlichen Blick zu. Das mag sie nun gar nicht!
Dann wieder er: "Damit kann man kein Geld verdienen. Es ist die Mühe nicht wert!"
Hierauf lächelt sie lediglich bemüht-verständnisvoll. Dieser Frank hat den Wortgeist nicht gepachtet, denkt sie. Und: Er sollte sich besser weiter um Spielzeugautos, Fußball und Domino kümmern. Nun ja, die Jungen taugen nicht gerade viel in ihrer Schulklasse. Von ihren Lehrern in der Schule hält Lilo gar nichts, weshalb sie ihre Dichtung braucht, denn - : so lässt sie ihren Frust raus. Danach fühlt sie sich meistens erheblich besser. Die freien kreativen Gedanken schätzt sie über alles, hingegen könnte sie die überaus lästigen Idiotien der in der Schule versammelten Lehrerschaft zum Teufel wünschen. All das Gewöhnliche des Alltagslebens muss sie seit Jahren ertragen! Immer öfter flüchtet sie sich in die Welt der Worte, in der sie sich gut zurechtfindet. Ohnehin findet sie nur die Literatur einer intellektuellen Begegnung für interessant und reizvoll genug, was allerdings nicht jeder aus ihrer Familie wissen muss. Ihre Mutter Lore hält ihr schon Schulversagen vor. Und ihr Vater guckt sie kaum noch an. Vorhin hat sie das Fenster ihres Zimmers geöffnet. Sie schaut zum Fenster raus, während sie ihren Bleistift schwingt. Draußen laufen Passanten an einem gerade frisch asphaltierten Straßenbelag vorbei. Und Lilo kann in diesem Moment nicht anders, sie muss kotzen. Sie muss jetzt alles raus kotzen! Ihre vielen schrecklichen Gedanken, aber auch ihr permanent schlechtes Befinden machen ihr Leben zu einer einzigen Anstrengung. Aus: Kay Ganahl "Wortfels Realität" (2009)
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Stoff: Zank in der Ehe
Krachbumms! Krachbumms! - "Die sind echt nett!," so hieß es kürzlich bei den Nachbarn. Sie "... sind normal, streiten sich, fallen übereinander her, ficken und trösten sich generalstabsmäßig!"
Die Ehehälften zankten und prügelten sich, fielen hernach froh oder auch total ermattet auseinander, obwohl sie die Fassade der innigen Vertrautheit nicht völlig niederrissen.
"Die können es treiben wie die verfickten Götter- und Götterbotenscharen!" so war auch und gerade in den Straßen der Nachbarschaft zu hören.
Bummswallera. Walhalla! - Sie sprangen, wie in Erfahrung gebracht werden konnte, immerhin nicht zu den Denk-, Gefühls- und Verhaltensmustern des Muss-Hassens über, die zuweilen für Menschen leichter verfügbar sind als irgend etwas anderes.
Nachbar Aloysius B. Bauer aus der Hermann Straße war belustigt wegen der um ihn herum ablaufenden Ehekrisen-Szenen (übrigens bei so einigen Eheleuten), weil er gerade dabei war, ein Drehbuch zu verfassen, was von solchen Krächen handelt (Seit kurzem allüberall im Buchhandel erhältlich unter dem Titel: "... fick mich durch, Süßer!"). Dieses Drehbuch soll späterhin eine ganze Stunde Sendezeit im TV ausfüllen.
Ehegezänk ist wie der Streit in politischen Parteien, - es geht drunter und rüber, keiner will aufgeben. Einige Verhaltensregeln gibt es, doch manchmal werden sie mit Freude gebrochen. Viele wollen Erfolg haben, doch nur wenige können einen verbuchen, der was her macht. Und die Eheleute (scheinen zu) streiten, - sie streiten und streiten dauernd, dauernd und dauernd!
Die Eheleute, die Aloysius erfahrungsmäßig zwecks literarisch-stofflicher Verwendung vor Augen hatte, kannte er genauer als andere, kannte sie persönlich und im Detail, verlor sich manchmal in persönlichen Gefühlen. Dann tauchte er unter, um innerlich zu notieren und zu beurteilen. Und zu "entwerfen". Er liebte es, schriftstellerisch zu formen; ließ daher keinen Papierschnipsel ruhen. Er war überaus eifrig bei der Sache.
Nun ja, Wort um Wort sollten sich recht bald um seinen Heiligenschein als Schriftsteller ranken, wozu immer noch einiges schriftstellerisches Arbeiten vonnöten war. Viele Ruhepausen gönnte er sich nicht! Das Tippen auf der Schreibmaschine war vor dem Fenster seiner Klause (das ist ein Häuschen mit ein bisschen Rasengrund drum herum) hörbar. Wort um Wort, her damit! Er faselte kein dummes Zeug wie andere, sondern er tippte es lediglich (!?). Das war sein höchstes Anliegen im Leben. Er entsann sich gern des Bösartigen im Leben, was schriftstellerisch gut verwendbar war. Aus: Kay Ganahl "Wortfels Realität" (2009)
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Der Kriminalfall hat begonnen
Die Sonne hat am Mittag allen, die vor Ort waren, ins Genick gebrannt. Es war fürchterlich heiß. Der Großstadtmoloch hat sie gefangen gehalten. Eine Flucht ins kühle, erfrischende Nass war gänzlich unmöglich. Die Sehnsucht danach war natürlich groß.
Der Kriminalbeamte Alfons A. Herrlich setzt sich jetzt zu drei jungen Menschen, um die Vernehmung in seiner Kommission durchzuführen. Er ist ein hoch aufgeschossener, dynamisch wirkender Beamter, der eloquent reden kann. Er lacht gern. Er geht sehr gern auf die Bürger ein. Seine Sozialkompetenz ist von einem beträchtlichen Ausmaß.
Diese jungen Menschen, gemeint sind die anwesenden Schülerinnen und ein Schüler, welche momentan ziemlich erschossen aussehen, sind sehr wortkarg. Sie sind es nach ersten Erkenntnissen, die sich dazu hergegeben haben, die "sexuell Aktiven" zu sein. Sie sitzen, doch sie "sitzen" noch nicht.
Man hat sie auf einem der Kinderspielplätze der Stadt gestellt und nach einer kurzen Befragung festgenommen, etwas später dem zuständigen Polizeirevier zugeführt - befragte sie noch am Tatort bei der ersten kurzen offiziellen Befragung im Fahrzeug der alarmierten Polizeistreife, mit einem "Warum?" - Sie antworteten: "Darum!" - Zur näheren Begründung sagten sie aber doch noch einiges mehr. Sie bekannten schon nach kürzester Zeit zu einer eigenständigen sexuellen Entwicklung und Entfaltung nicht gekommen zu sein, so dass sie sich einfach mal vormittags um im Sand spielende Kleinkinder kümmern wollten. Sie taten das auch, wie sie ausführten, um wissenschaftlich zu beobachten und zwecks wissenschaftlicher Analyse im Hinblick auf den aktuellen sexuellen Entwicklungsstand der Kinder.
Mit der wissenschaftlichen Analyse taten sie sich wohl, so gestanden sie jedenfalls freimütig, schwer. Sie seien ja nicht gerade wissenschaftlich kompetent, um derlei erfolgreich durchzuführen (festgenommene Personen: einer männlich, 16 Jahre alt - blond, dick, langsam im Reden, zwei weiblich, jeweils 17 Jahre alt - bildhübsch, beweglich, natürlich).
Sie wirkten dort, im Fahrzeug sitzend, recht schwach, unsicher, geradezu kindlich. Zum Vertuschen und Verheimlichen schienen sie gänzlich unfähig zu sein. Die zwei sie befragenden Beamten sahen in ihnen Kids, die gammeln, Dödel an die Wände schmieren oder in halbdunklen Ecken Selbstbefriedigung üben.
In diesen Minuten müssen sie vom Kriminalbeamten Herrlich eingehend zur Sache vernommen werden, getrennt und in aller Gründlichkeit, denn es wurde nach Festnahme der Jugendlichen ein kleines Mädchen nahe des Kinderspielplatzes tot aufgefunden. Ein Kapitalverbrechen wurde begangen. Die Jugendlichen sind die Hauptverdächtigen, welche derzeit noch ohne Rechtsbeistand sind, was sich aber bald ändern wird. Felix, der Jugendliche, hat sich aufrecht auf seinen Stuhl gesetzt und grinst in das Gesicht des Kriminalbeamten, welcher ihn äußerst grimmig anstarrt. Die beiden jungen Damen schweigen sich gänzlich aus und zeigen keine Gemütsregung.
Plötzlich stürzt statt eines Rechtsanwalts der Vater des festgenommenen Jugendlichen heran, sagt: "Und weil die Polizei clever und vorteilslos ist, ist sie unfähig zu bemerken, dass diese Jugendlichen enorme Probleme mit ihren Psychen haben müssen, da sie sich zu so etwas mehr oder weniger Absurdem hinreißen ließen. Meinen sie nicht auch?"
Hierauf sagt der Kriminalbeamte erst einmal kein Wort. Er wendet sich lediglich dem Vater mit seiner grimmigen Miene zu und gebietet ihm: "Verlassen sie gefälligst sofort diesen Raum!" Aus: Kay Ganahl "Wortfels Realität" (2009)
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Geistgestalt Münzer
Er ist an der Reihe gewesen. Von da hinten das Echo der tausend Stimmen. Ich habe ihn aber jetzt, - der gute alte Münzer ist tatsächlich in meinen Armen. Und die Menschenmenge jubelt längst einer weiteren Tragödie zu. Münzer blutet stark aus seinem Rumpf. Ja doch, ich habe es mit verfolgt: er ist geköpft worden. Die Menge jubelte wild. Ich jedoch fühlte im Moment seines Todes nur tiefe Trauer in mir aufsteigen. Seinen Kopf sah er wohl fortfallen - und nun ist die Tragödie des Münzer perfekt. Er ist jetzt in meinen Armen! Wie kam es zu seiner Hinrichtung? Ein Söldner hatte ihn entdeckt. Er war der erste, der auf den Dachboden des Hauses kam, auf dem sich Münzer versteckt hielt. Viele Stunden war dieser Dachboden für Münzer ein sicheres Versteck. Irgendeiner verriet ihn. Verräter gibt es im Land, keine Frage - wir wissen dies nur zu gut! Dieser Herr Münzer, jetzt wieder wach (wenn auch kopflos), will mir etwas beichten, als er in meinen Armen ist und ich ihn anschaue. In seine Augen schaue ich ganz intensiv. Er sagt mir jedenfalls, sein Tod ist kein Tod gewesen, sondern nur der Übergang ins Andere, egal wie man es nennen will. Aber ich bin so erstaunt, ganz außer mir vor Erstaunen, dass ich ihm nicht zuhören kann. Gleich lasse ich ihn fallen. Ja.
Und jetzt liegt er so da in dieser schlammigen Ecke, nicht weit von dem Richtplatz entfernt, in die sich nicht viele Passanten verirren. Diese Stadt ist nämlich voller solcher Ecken, die jede für sich ein kleines Geheimnis zu bergen scheint. Gefasst habe ich mich nach Minuten: Ich will ihm wirklich wieder zuhören. Sein fast flehender Blick irritiert mich allerdings für einen Moment. Und dann will ich zumindest keine Beichte von ihm hören! Er will unbedingt beichten, aber da ich nach wie vor dazu nicht bereit bin, wird er sehr unwirsch und droht, sich an mir zu rächen, obwohl ich für seine eher missliche Lage gar keine Verantwortung trage. Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. Wer ist das denn jetzt? Ist Münzer eine Geistgestalt? Dies ist wahrlich zu befürchten, denn die Naturwissenschaften liefern mir auf die Schnelle keine Erklärung für sein Leben nach dem Tod. Diese seine Geistgestalt ist, wenn ich ihn mir genauer anschaue, ganz durchnässt vom Regen, der über der Stadt seit Stunden niedergeht. Münzers von der Anwendung der Foltermethoden im Verlies geschundener Körper ist für mich eine große Unberechenbarkeit, der ich momentan zu trotzen habe. Ich weiß nicht, was ich tun soll.
Er spricht zu mir, ohne dass ich mich ihm wirklich zuwende. Oh, du Geistgestalt! Verwirrung ... lebloses Leben, hier: das Zwischen-Welt-Wesen. Selbst jetzt kommt er mir mit einer gewissen persönlichen Anmaßung, die ich an ihm nie schätzte. Auch dieses Barsche an seiner Rede stört mich. Ich würde ihn nur zu gern - traue mich das gerade mal zu denken - tot sehen! Geistgestalt Herr Münzer will beeinflussen, sogleich einen neuen Rang in der Gesellschaft beanspruchen, einer sein, der mich einfängt und für seine Zwecke ausnützt. Oder ist meine Deutung seiner Rede und seines Verhaltens als Kopfloser eine falsche Deutung? Diese Geistgestalt Münzer hat auf jeden Fall einen Plan. Es sollen die Schuldigen an seinem Tod, der doch offensichtlich nur ein Scheintod, oder wie man es nennen soll, gewesen ist, gefunden werden. Dabei soll ich ihm Unterstützung leisten, was ich jedoch zurückweise, weil ich mich als dazu unfähig erachte.
Dazu kommt, dass er bei mir Verständnis sucht. Guckt mich aber von oben herab an, als er sich plötzlich vor mir aufgerichtet hat und böse lächelt. Auf das er in der Hölle lande! Jedoch scheint besonders dies noch gänzlich unentschieden zu sein. Leider? Aus "Das Auge im Ohr" (2010)
Kay Ganahl
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Foto unten: "Kay schreibt", 1979
Pictures And Words By Kay Ganahl. All Rights Reserved 2013.
Kay Ganahl 2013